Rollenkonflikte in Kitas vermeiden

Ein Beitrag über soziale Rollen von Erzieher:innen und Leitungen in Kindertagesstätten

"Mensch Ana, du bist doch systemische Beraterin! Du müsstest doch wissen, was euer Problem ist?"

Gemeint war eine ehemalige Gruppenkollegin, mit der ich in einer Einrichtung zusammengearbeitet habe. Wir waren oft unterschiedlicher Meinung, was die Begleitung unserer Kindergruppe anging und so entstanden ganz viele Konflikte, die uns beide belasteten.

 

Wenn ich der Einrichtungsleitung von den Schwierigkeiten berichtete, kam sofort der Hinweis auf meine systemische Beraterausbildung und die Bemerkung, ich könne doch mein Wissen auch hier einsetzen. Natürlich konnte ich das und hatte es eine Zeit lang auch versucht. In der Zusammenarbeit mit Kindern und Eltern ist es mir auch gelungen, neue Ideen und Methoden einfließen zu lassen. Meine systemische Grundhaltung hat sicher auch den ein oder anderen Konflikt verhindert und mir geholfen, mich zu distanzieren. Doch die Konflikte nahmen zu.

 

Wieso also konnte ich, die ich doch eine Beraterausbildung gemacht habe, es nicht schaffen, mit meiner Kollegin eine gute Basis zu finden? Weil ich eine ganz andere Rolle inne hatte - die Rolle der Erzieherin, die sich die Unterstützung von ihrer Leitung gewünscht hatte, weil sie eine Veränderung erreichen wollte - nämlich die Kinder auf eine wertschätzende Art und Weise zu begleiten und das Bestrafen mit Hilfe des stillen Stuhls (oder wie auch immer diese Methoden heißen) auf keinen Fall zuzulassen.

 

In meiner Rolle als Erzieherin hatte ich einen ganz klaren Auftrag. In meiner Rolle kämpfte ich für ein gutes Miteinander in meiner Gruppe. In meiner Rolle war ich sauer, verletzt, niedergeschlagen, unmotiviert und kraftlos, all diese Machtkämpfe austragen zu müssen. Und es war nicht meine Aufgabe, meine Kollegin darin zu begleiten, die Lösung auf ihr Problem mit MIR als Kollegin herauszuarbeiten. Denn ich war persönlich betroffen.

Wann geraten wir in einen Rollenkonflikt?

Rollenkonflikte in pädagogischen Einrichtungen - Wie es dir gelingt, soziale Rollenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden.

Wir alle haben unterschiedliche Rollen inne, die mit Erwartungen verbunden sind. Wir sind Tochter, Sohn, Freund:in, Partner:in, Mutter, Vater, Enkel:in, Angestellte:r, Leiter:in, Vorsitzende:r eines Vereins, Tänzer:in in einer Tanzgruppe, Hüter:in in einer Fußballmannschaft...

 

Manchmal sind wir uns nicht im Klaren, wie wir eine andere Rolle einnehmen und bspw. nicht als Kolleg:in, sondern als Mutter oder Vater agieren. Wir nehmen eine andere Sicht ein und stehen der Situation möglicherweise nicht mehr neutral gegenüber. Und manchmal stellen Menschen Erwartungen an uns, die wir nicht erfüllen können und die sich wie eine innere Zerreißprobe anfühlen.

 

  • Nehmen wir einmal die Rolle der stellvertretenden Leiter:in oder Einrichtungsleiter:in als Beispiel, die gleichzeitig im Gruppendienst tätig ist. In manchen Situationen hat sie/er ganz klar die Rolle der/des Vorgesetzten und in manchen ist sie/er Gruppenkolleg:in und somit auf einer Ebene.
  • Kolleg:innen die selbst Kinder haben, stehen häufig im Rollenkonflikt zwischen Kita und Familie. Wöhrend ihr Team von ihnen erwartet, ebenfalls einen langen Dienst abzudecken, haben sie stets die Erwartungshaltung ihrer Familie im Hinterkopf, pünktlich nach Hause zu kommen und für sie Zeit zu haben.
  • In manchen Einrichtungen werden die eigenen Kinder von Pädagog:innen mitbetreut. Demnach kann mein Kollege auch gleichzeitig die Rolle des Vaters inne haben, mit dem ich ein Elterngespräch führen muss.
  • Manchmal stehen Pädagog;innen und Familien in einem verwandschaftlichen oder freundschaftlichen Verhältnis. Entstehen Konflikte in der Einrichtung, wird in den allermeisten Fällen die Person kontaktiert, zu der man eine enge Beziehung hat, um Frust oder Wut loszuwerden. In diesem Fall ist es ganz besonder schwer, klar in seiner Rolle zu bleiben, um den Konflikt nicht unnötig zu verstärken.

Rollenkonflikte lassen sich nicht immer vermeiden.

Um keine Rollenkonflikte entstehen zu lassen, verbieten manche Träger ihren Mitarbeiter:innen, ihre Kinder in den eigenen Einrichtungen zu betreuen. Manche Einrichtungsleitungen stellen keine befreundeten pädagogischen Fachkräfte ein. Und trotzdem können Rollenkonflikte entstehen. Trotzdem nimmt jede/r Einzelne gewisse Rollen ein, die mit einer bestimmten Erwartungshaltung verbunden sind. Trotzdem können sich Freundschaften entwickeln. Trotzdem können sich Kolleg:innen verlieben und ein Paar werden. Und was ist, wenn ich mit der pädagogischen Arbeit meiner Einrichtung so zufrieden bin und das Gefühl habe, dass mein Kind genau dort gut aufgehoben ist?

Deine Rollen im Blick - Wo stehst du?

Selbstreflexionsfragen zu deiner Rollenfindung

Rollenkonflikte in pädagogischen Einrichtungen - Wie es dir gelingt, soziale Rollenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden.

Wenn auch du in manchen Situationen verspürst, wie sich deine Rollen vermischen und einen Konflikt hervorrufen, dann möchte ich dich mit diesem Selbstreflexions-Impuls unterstützen, für Klarheit zu sorgen. Um ein Gespür für deine persönliche Situation zu bekommen, habe ich für dich folgende Fragen vorbereitet. Nehme auch gerne ein paar Figuren, um all deine Rollen aufzustellen oder male sie auf ein Blatt Papier.

 

Gehe Frage für Frage durch und notiere dir die Antworten. Bereit? Los geht's!

  • In welchen Rollen befindest du dich aktuell?
  • Welche Erwartungen werden dort an dich gestellt?
  • In welchen deiner Rollen fühlst du dich wohl, bist klar und selbstsicher?
  • Gibt es eine Rolle, die dich belastet oder herausfordert? Wenn ja, welche ist es?
  • In welchen Situationen weichst du von deiner Rolle ab und nimmst (bewusst oder unbewusst) eine andere ein?
  • Zwischen welchen Rollen entstehen besonders viele innere und äußere Konflikte?

Welchen Rollenhut hast du auf?

Mit Hilfe der Reflexionsfragen hast du sicher festgestellt, in welchen Situationen du schnell in einen Rollenkonflikt gerätst und kannst nun im Alltag eine kleine Veränderung durchführen.

Wenn du dich erneut in dieser Situation befindest, frage dich:

  1. Welchen Rollenhut habe ich gerade in diesem Augenblick auf?
  2. Welche Erwartungen stellt mein Gegenüber an mich und meine Rolle?
  3. Welche Erwartungen kann ich in meiner Rolle erfüllen und welche nicht?
  4. Welche Informationen kann ich meinem Gegenüber geben, um den Rollenkonflikt zu lösen oder gar nicht entstehen zu lassen?

Ich empfinde es als sehr hilfreich, mir tatsächlich vorzustellen, wie ich mir einen bestimmten Hut aufsetze, auf dem meine Rolle geschrieben steht. Und wenn ich in unsicheren Situationen ganz klar verbalisiere, welche Schwierigkeiten sich hier für mich darstellen, kann ich dem Konflikt buchstäblich den Wind aus den Segel nehmen, in etwa so:

 

"Weißt du, das ist nicht so einfach für mich. Als deine Freundin kann ich dir gerne zuhören und will ich auch für dich da sein. Als deine Kollegin kann ich den Konflikt für dich aber nicht lösen. Bitte gehe auf die Mutter zu und bespreche das mit ihr."

 

oder

 

"Als Mutter bin ich ganz bei Ihnen! Ich würde mich an Ihrer Stelle auch sehr über die Situation ärgern. Nun bin ich hier Kita-Leiter:in und möchte meinem Mitarbeiter ebenfalls die Chance geben, die Situation zu schildern."

 

Je klarer du dir darüber bist, welchen Rollenhut du in welcher Situation aufhast und in welchen Bereichen sich deine Rollen häufig vermischen, desto besser kannst du vermeiden, in einen Konflikt zu geraten.