Skalieren mit Kindern in Kita und Grundschule

Wie das Skalieren Kinder ab dem Vorschulalter in ihrer Partizipation und Selbstwirksamkeit unterstützt und sie dazu ermutigt, ihren Alltag positiv zu verändern.

Jeder Mensch nimmt Situationen und Geschehnisse auf seine eigene Art und Weise wahr und konstruiert daraus seine Gedanken- und Gefühlswelt. Folglich muss das, was für mich gilt also nicht zwangsläufig für andere gelten. Eine Situation, die mir keinerlei Sorgen bereitet, kann für meinen Partner oder meine Kollegin als belastend empfunden werden. Das in der Interaktion und Kommunikation zu beachten, fällt vielen schwer. Schnell wird versucht, das Empfinden des Gegenübers abzuwerten, es ihm regelrecht abzusprechen. Kränkungen, Beschuldigungen und Konflikte sind vorprogrammiert. Wer ein passendes Beispiel sucht, muss sich nur die Kommentare in den sozialen Netzwerken durchlesen.

Warum mit Kindern skalieren?

Wie die Skalierungstechnik Kinder ab dem Vorschulalter in ihrer Partizipation und Selbstwirksamkeit unterstützt und sie motiviert, über ihr persönliches Befinden zu sprechen.

Auch im Familien- und Kitaalltag sind viele Beispiele zu finden, in denen deutlich wird, dass es Erwachsenen selten gelingt, den Kindern ihr eigenes Empfinden zu lassen und ihnen nicht das eigene Wahrheitskonstrukt überzustülpen: "Das ist doch nicht so schlimm! Du kannst doch einfach einen neuen Turm bauen! Ess doch bitte auch deine Tomaten, die schmecken doch gut! Und sie sind gesund! Also komm, die Hanna hat dich doch nur gekitzelt. Kitzeln ist doch lustig! Ich verstehe nicht, was dein Problem ist! Basteln macht doch Spaß! Schau mal, wie schön die Vogelhäuschen aussehen!"

 

Das mag alles richtig sein - für die Person, die diese Sätze ausgesprochen hat. Ein Kind hat hier vielleicht ein anderes Empfinden, kann es meist nicht in Worte fassen und braucht hierbei unsere Unterstützung. Es kann mit Hilfe der Skalierungstechnik erfahren, dass es gut tut, das eigene Befinden zu äußern, dass es völlig ok ist, verschiedene Sichtweisen zu haben und wie wichtig es ist, die der anderen Menschen jeden Alters zu akzeptieren. Es wächst zu einer respektvollen und empathischen Persönlichkeit heran und das sollte ein Ziel aller sein, die Kinder auf ihrem Weg begleiten.

"Im zwischenmenschlichen Bereich gibt es nicht die eine, die objektive Wahrheit."

Rainer Orban / Gabi Wiegel

Vorbereitung und Einführung

Wie die Skalierungstechnik Kinder ab dem Vorschulalter in ihrer Partizipation und Selbstwirksamkeit unterstützt und sie motiviert, über ihr persönliches Befinden zu sprechen.

Um diese Methode in den Alltag zu integrieren, brauchst du zunächst einmal eine Skala, die du gemeinsam mit deinem Kind oder deiner Kindergruppe aus den vielfältigsten Materialien gestalten kannst. Um dir ein Beispiel zu geben habe ich einfach einen Stock mit kleinen Häuschen aus Pappe ausgestattet. Genau so gut kannst du bemalte Steine in einer Reihe auslegen oder selbst gestaltete Zahlenbilder an einer Schnur aufhängen - hier könnt ihr eurer Kreativität freien Lauf lassen.

 

Um das Benennen der Zahl zu visualisieren eignen sich Klammern, verschiedene Tierfiguren, Männchen oder Muggel-/Edelsteine, die neben der Skala in einem Körbchen oder Glas platziert werden können.

 

Die Skalierungstechnik kann wunderbar in eine Bewegungseinheit eingebaut werden. Hierfür große Zahlen auf bunte Blätter schreiben, sie in einer Reihe auslegen und die Kinder zur Zahl ihrer Wahl hüpfen lassen.

 

Wenn alles vorbereitet ist, wird die Methode erklärt. Zum Beispiel habe ich das im Rahmen eines Morgenkreises folgendermaßen gemacht:

 

"Ich möchte euch gern etwas fragen. Wenn ich sage: 'Alle Kinder essen gern Banane.' Stimmt das? Was denkt ihr? Und wie ist es, wenn ich sage 'Alle Kinder gehen gerne im Winter raus, um mit Schnee zu spielen.' Wäre das richtig?" Ich habe mit meinen Fragen eine rege Diskussion angestoßen und konnte dann zu den Skalierungsfragen überleiten: "Wäre das vielleicht besser, wenn wir so eine Frage mit einer Zahl beantworten könnten? Zum Beispiel so: "Heute gab es Geschnetzeltes mit Reis! Die 10 wäre: Oh ja, das war soo lecker! und die 1 wäre: Oh nein, das hat mir garnicht geschmeckt! Welche Zahl würdest du wählen?" Jedes Kind konnte sich daraufhin eine Figur aussuchen und diese vor eine Zahl stellen.

 

Das Ergebnis: Eine bunte Vielfalt an Wahrheiten lag vor uns und jede einzelne war richtig!

Anlässe im Familien-, Kita- und Schulalltag

  • Reflexion einer Situation, einer Aktion oder eines ganzen Tages als Familie, Gruppe, Klasse (Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie fandest du unseren gemeinsamen Tag / unseren Ausflug / unsere virtuelle Schulstunde?)
  • Momentanes Befinden erfragen (Wie fühlst du dich aktuell hier zu Hause / in der Kita / in der Klasse? 1 wäre: Es ist schrecklich, mir geht es hier nicht gutl! Und 10 wäre: Es gefällt mir sehr, hier zu sein!)
  • Partizipation/Mitbestimmung im Alltag (Wie hat dir unser letztes Elfen-Projekt gefallen? Wie sehr würdest du dich über ... freuen? Wie sehr magst du unseren Morgenkreis? Wie findest du unsere gemeinsame Abendessenszeit?)
  • Einschätzung des eigenen Verhaltens (Was denkst du: Wie gut gelingt es dir im Moment, deine Hausaufgaben zu erledigen? Wie gut gelingt es dir, STOP zu sagen, wenn du dich von einem anderen Kind gestört fühlst?)

Wie können Skalierungsfragen den Alltag von Kindern, Familien und PädagogInnen positiv beeinflussen?

"Eine Frage, die mit einer Zahl beantwortet werden muss und die wir Skalierungsfrage nennen, ist für die meisten Kinder leicht zu beantworten."

Therese Steiner / Insoo Kim Berg

Wie die Skalierungstechnik Kinder ab dem Vorschulalter in ihrer Partizipation und Selbstwirksamkeit unterstützt und sie motiviert, über ihr persönliches Befinden zu sprechen.

Was Kinder (und das geht uns Erwachsenen übrigens auch so) im Alltag sehr schnell spüren ist Ungerechtigkeit und die mangelnde Beachtung ihres persönlichen Empfindens. Werden Kinder mit Hilfe der Skalierungstechnik stärker in den Alltag einbezogen, fühlen sie sich kompetent und können selbst wirksam werden.

 

Hierzu ein kleines Beispiel:

 

Erzieherin "Wie gefällt dir unser Morgenkreis? Die 10 ist: Super! und die 1 ist: Garnicht gut! Für welche Zahl würdest du dich entscheiden?"

 

Kind "Hm, vielleicht 4. Also eine 6 auf gar keinen Fall!"

 

Erzieherin "Das bedeutet, der Morgenkreis gefällt dir oft nicht so gut, stimmts? Was würde den Morgenkreis denn noch doofer machen? Zum Beispiel wie eine 3 oder 2?"

 

Kind "Noch doofer wäre es, wenn alle Kinder schreien würden. Oder wir garkeine Kerze hätten. Und keine Geschichte lesen würden."

 

Erzieherin "Das stimmt. Das würde mir auch nicht gefallen! Und was würde ihn viel gemütlicher oder angenehmer machen? Was könnten wir verändern, damit du das nächste Mal eine 7 oder 8 auswählst?"

 

Kind "Ich mag das nicht, dass das so eng ist. Ich kann garnicht richtig auf meinem Teppich sitzen. Ich mag mal wieder die schönen Glitzersteine in die Mitte legen, die waren so schön."

 

Erzieherin "Ah wäre das wohl besser, wenn wir den Kreis größer machen würden? Und die Glitzersteine haben wir schon lange nicht mehr benutzt, da hast du Recht! Magst du morgen die Mitte schmücken?"

 

Diese Methode ist eine Chance, Kinder in Veränderungen einzubeziehen, die nötig sind, damit sich die Familie, die Kindergartengruppe oder die Klasse in ihrem Alltag wohler fühlt und alle Beteiligten besser miteinander zurecht kommen.

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg beim Skalieren und freue mich sehr auf deine Rückmeldung! Deine Anastasia